Die 2. Deutsche Nordpolarfahrt von 1869

Trotz der widrigen Umstände sind die wissenschaftlichen Ergebnisse der „2. deutschen Nordpolarfahrt“ zum Teil sehr gut. Sie tragen dazu bei, dass das König-Wilhelm-Land auf viele Jahre hinaus die am besten erforschte Region Ost-Grönlands ist. Die botanische Sammlung von Dr. Pansch und Dr. Copeland vermittelt zum ersten Mal eine genauere Kenntnis über die Pflanzenwelt dieses Teils der Gletscherinsel.

Die zoologische Sammlung von den beiden Männern sowie Steuermann Sengstacke enthält 218 Tierarten, darunter 15 neue. Besonders wichtig ist die Entdeckung von Moschusochsen in Ost-Grönland. Sie kannte man zuvor nur von der kanadischen Eismeerküste. Eine vollständige Gradmessung ist nicht möglich, weil die Astronomen sich auch noch um Meteorologie, Erdmagnetismus und Polarlicht kümmern mussten.

Die kartographische Aufnahme des König-Wilhelm-Landes, an dem besonders Payer, Dr. Börgen und Dr. Copeland beteiligt waren, ist sehr exakt. Auf der Landkarte Ost-Grönlands werden zwischen dem 73.° und 76.° bis heute zahlreiche Punkte nach deutschen Persönlichkeiten oder Orten benannt: Kap Bremen, Kap Mosle, Bastian-Bucht, Kap Hartlaub, Kap Schumacher, Albrecht-Bucht, Kap Breusing, Finsch-Insel.

"Auch wir Deutschen haben nun einen Antheil an diesem Ruhme..."

Diese Tatsache macht die junge deutsche Nation mächtig stolz: „Es sind jetzt nicht mehr die Engländer und Nordamerikaner allein, welche sich rühmen können, in den hoch nordischen Gewässern ihre Flagge entfaltet und der Wissenschaft genützt zu haben; auch wir Deutschen haben nun einen Antheil an diesem Ruhme, und uns den Anderen an Muth, Seetüchtigkeit und Ausdauer vollkommen ebenbürtig gezeigt“, schreibt der „Globus“ – eine „Illustrirte Zeitschrift für Länder- und Völkerkunde“ – im Oktober 1870.

Der Vorstoß während einer Schlittenreise im Frühjahr 1870 auf dem Küsteneis bis zum 77.° wird als „Rekord“ bis 1907/1908 Bestand haben. Erst eine dänische Expedition, an der auch der bekannte deutsche Polarforscher Alfred Wegener teilnimmt, reist noch weiter nach Norden. Die Überwinterung der „Germania“ südlich der Sabine-Insel ergibt zudem die erste einjährige Beobachtungsreihe über das Klima Ost-Grönlands.

Die „2. deutsche Nordpolarfahrt“ würde vermutlich noch erfolgreicher gewesen sein, hätte Kapitän Koldewey nicht die Instruktionen Petermanns befolgen müssen. Entscheidungen vor Ort, nach Absprache mit den Wissenschaftlern an Bord, hätten zum Beispiel eine genauere Erkundung des Kaiser-Franz-Joseph-Fjords möglich gemacht. Insofern ist die Aufteilung in einen nicht mitreisenden „Expeditionsleiter“ (Petermann) und eine „Expeditionsführung“ (Koldewey) ein Fehler gewesen.